Start Alle Kategorien-de Aktuell Gibt es das Integrationsparadoxon wirklich? Warum sind Kinder von Zuwanderern in Deutschland weniger glücklich?

Gibt es das Integrationsparadoxon wirklich? Warum sind Kinder von Zuwanderern in Deutschland weniger glücklich?

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Gibt es das Integrationsparadoxon wirklich? Warum sind Kinder von Zuwanderern in Deutschland weniger glücklich?

Die Lebenszufriedenheit in Deutschland bleibt auch 2025 hoch. Laut den neuesten Erkenntnissen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) liegt die durchschnittliche Lebenszufriedenheit bundesweit bei rund 7,1 von 10 Punkten (https://www.bib.bund.de/DE/Presse/Mitteilungen/2025/2025-10-29-BiB-Monitor-Wohlbefinden-2025-Wie-zufrieden-sind-Ein-und-Ausgewanderte.html). Dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verändert. Er ist in den westlichen Bundesländern stabil und in den östlichen Bundesländern leicht gestiegen. Hinter dem allgemeinen Wohlbefinden verbergen sich jedoch deutliche Unterschiede: Besonders auffällig sind die Unterschiede zwischen den Generationen bei Menschen mit Migrationshintergrund (https://www.tagesspiegel.de/politik/zufriedenheit-sinkt-in-zweiter-generation-nachkommen-von-migranten-unzufriedener-als-selbst-eingewanderte-14693411.html).

Studien zeigen, dass diejenigen, die später nach Deutschland eingewandert sind, also die erste Generation von Einwanderern, relativ zufriedener mit ihrem Leben sind. Im Gegensatz dazu ist die Zufriedenheit von Kindern von Einwanderern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, geringer als die ihrer Eltern und ihrer Altersgenossen ohne Migrationshintergrund. Laut Daten des BiB sinkt die durchschnittliche Lebenszufriedenheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund um bis zu 6,3 Punkte (https://www.zeit.de/gesellschaft/2025-10/integration-migration-zufriedenheit).

Dieser Befund erinnert an das Konzept des „Integrationsparadoxons“ des Soziologen Aladin El Mafaalani. Laut Mafaalani birgt eine gelungene Integration auch das Potenzial für neue Spannungen. Denn die neuen Generationen von Zuwanderern wollen nicht nur am gesellschaftlichen Leben teilhaben, sondern auch mitbestimmen und sich an politischen und Entscheidungsprozessen beteiligen. Werden diese Erwartungen jedoch nicht vollständig erfüllt, leidet ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihre Zufriedenheit nimmt ab (https://www.mafaalani.de/integrationsparadox). Während die erste Generation oft die erzielten Vorteile im Vergleich zu ihrem Herkunftsland in den Vordergrund stellt, nimmt die zweite Generation die Defizite möglicherweise deutlicher wahr und betrachtet soziale Gleichstellung und Akzeptanz als selbstverständliches Recht.

Diese Situation hat nicht nur psychologische, sondern auch strukturelle Ursachen. Ungleichheiten bei den Bildungschancen, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, ungünstiger Zugang zu Wohnraum und identitätsbasierte Ausgrenzung sind weiterhin weit verbreitet. Sprachkenntnisse, ein höherer Bildungsabschluss und Erwerbstätigkeit allein garantieren keine Zufriedenheit mehr. Im Gegenteil: Mit der Integration in die Gesellschaft steigt das Bewusstsein, die Erwartungen steigen, und dies ebnet den Weg für weitere Enttäuschungen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in anderen Einwanderungsländern. Studien in Ländern wie den Niederlanden, Kanada und den USA zeigen, dass Einwanderer der ersten Generation im Allgemeinen optimistischer sind, während Einwanderer der zweiten Generation stärker mit Fragen der Zugehörigkeit und Identität zu kämpfen haben. Eine niederländische Studie ergab, dass selbst hochgebildete und gut integrierte Einwanderer mehr Diskriminierung wahrnehmen (https://en.wikipedia.org/wiki/Integration_of_immigrants).

Obwohl Deutschlands umfassende Integrationspolitik, Sprachkurse, Staatsbürgerschaftsreformen und Beschäftigungsanreize die Lebensqualität im Allgemeinen verbessert haben, reichen diese Maßnahmen nicht immer aus, um das subjektive Wohlbefinden der zweiten Generation zu stärken. Wohlbefinden sollte nicht nur anhand wirtschaftlicher Indikatoren gemessen werden, sondern auch daran, ob sich Einzelpersonen als wertvoller Teil der Gesellschaft fühlen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit in Deutschland zwar hoch ist, die geringere Zufriedenheit von Kindern von Einwanderern uns jedoch daran erinnert, dass soziale Integration nicht allein durch Beschäftigung oder Bildung erreicht werden kann. Wohlbefinden ist nicht nur Einkommen oder Sicherheit; es umfasst auch Anerkennung, Gleichberechtigung und ein Gefühl der Zugehörigkeit. Die zweite Phase der Integration ist nicht mehr nur eine Frage des „Einlebens“, sondern des „Sich-zu-Hause-Fühlens“. Daher sollten neue Strategien entwickelt werden, die insbesondere die soziale Teilhabe und das subjektive Wohlbefinden von Einwanderern der zweiten Generation verbessern.