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Zugang zu Wissen oder Urheberrechtsverletzung? Der globale Wissenschaftskrieg um Sci-Hub und LibGen

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Zugang zu Wissen oder Urheberrechtsverletzung? Der globale Wissenschaftskrieg um Sci-Hub und LibGen

Der Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln und Büchern ist für Millionen von Studierenden, Forschenden und unabhängigen Wissenschaftlern weltweit nach wie vor ein Luxus. Die teuren Abonnementsysteme großer Verlage wie Elsevier, Wiley und Springer schränken die wissenschaftliche Produktion und Lehre stark ein, insbesondere in Entwicklungsländern. In diesem Umfeld entstandene „illegale Open-Access“-Plattformen wie Sci-Hub und Library Genesis (LibGen) sind zu Symbolen des freien Zugangs zu Informationen geworden und stehen gleichzeitig im Zentrum der Urheberrechtsdebatte.

Sci-Hub (https://sci-hub.se oder alternative Mirrors): Gegründet 2011 von der kasachischen Softwareentwicklerin und Neurowissenschaftlerin Alexandra Elbakyan. Bietet kostenlosen Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln.

LibGen / BookSC: Ein Open-Access-Repository mit einer großen Auswahl an PDF-Dateien, von wissenschaftlichen Büchern bis hin zu Lehrbüchern. Nutzer wählen diese Portale häufig, um kostenlos auf wissenschaftliche Publikationen zuzugreifen.

Diese Seiten wurden bereits mehrfach geschlossen oder durch Gerichtsbeschlüsse gesperrt. Dennoch gelang es ihnen, immer wieder mit neuen Domains zurückzukehren. Die Server von Sci-Hub wurden in Länder wie Russland, die Niederlande, Schweden und zuletzt Ecuador verlegt. Die Mirrors von LibGen sind weiterhin über das Tor-Netzwerk oder alternative Domains erreichbar.

US-Verlage haben Klagen in Milliardenhöhe gegen Sci-Hub eingereicht. 2017 gewann Elsevier eine Klage gegen Sci-Hub und erhielt 15 Millionen Dollar Schadensersatz. Die Website blieb jedoch weiterhin aktiv.

Piraterie oder akademische Solidarität?

Diese Plattformen verstoßen eindeutig gegen Urheberrechte. Ihre Unterstützer verteidigen diesen Verstoß jedoch als ethische Herausforderung. Hier sind einige gängige Begründungen:

  1. Öffentlich finanzierte Informationen sollten öffentlich sein: „Warum sollte steuerfinanzierte Forschung erneut bezahlt werden müssen?“
  2. Eine Lebensader für Entwicklungsländer: Sci-Hub kann die einzige Quelle für Einzelpersonen ohne institutionellen Zugang sein.
  3. Überhöhte Gewinnspannen der Verlage: Es ist ungerecht, dass Wissenschaftler mit kostenlos verfassten und rezensierten Inhalten hohe Gewinne erzielen.

Andererseits argumentieren viele Wissenschaftler und Verlagsvertreter, dass Urheberrechtsverletzungen dem wissenschaftlichen Ökosystem schaden und die Qualität des Publizierens beeinträchtigen.

Im Jahr 2021 berichtete die Zeitschrift Science, dass mehr als 70 % der 28 Millionen Downloadanfragen an Sci-Hub aus Ländern wie China, Indien, Indonesien, Iran, Brasilien, Ägypten und der Türkei stammten (https://datadryad.org/dataset/doi%3A10.5061/dryad.q447c).

Laut einer Analyse von Nature aus dem Jahr 2016 stammen 25 % der Sci-Hub-Nutzer von Universitäten mit institutionellem Zugang. Dies deutet darauf hin, dass Geschwindigkeit und nicht der Zugang ebenfalls ein Motiv ist (https://www.nature.com/nature-index/news/early-career-researchers-herald-change).

In vielen Ländern werden Open-Access-Plattformen (arXiv, PubMed Central, DOAJ) unterstützt, doch viele aktuelle Publikationen sind noch immer kostenpflichtig. Initiativen wie Plan S versuchen, öffentlich finanzierte Forschung in den Open Access zu zwingen.

In der Türkei ist der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen trotz Maßnahmen wie dem Nationalen Dissertationszentrum des Hochschulrats nach wie vor eingeschränkt. Dies erhöht den Bedarf an Ressourcen wie Sci-Hub.

Sci-Hub und LibGen sind Symptome eines viel tiefer liegenden Problems, das über das Urheberrecht hinausgeht: Ohne fairen Zugang zu Informationen herrscht in der Wissenschaft Ungleichbehandlung. Diese Plattformen sind zwar nicht legal, doch ihre Existenz wirft eine ethische Frage auf: Wem gehören Informationen?