Diese Woche untersucht die Akademische Solidarität e.V. die Beziehung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Obwohl die entscheidende Rolle der Universitäten für Innovation und Entwicklung immer wichtiger wird, bleibt die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Dies ist nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland und anderen OECD-Ländern ein weit verbreitetes Problem. Der jüngste OECD-Bericht zur Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Industrie zeigt, dass die Kooperation länderübergreifend hinter den Erwartungen zurückbleibt. Als Gründe werden Bürokratie, Finanzierungsschwierigkeiten und die unterschiedlichen Arbeitsrhythmen der beiden Institutionen genannt (OECD 2023, https://www.oecd.org/sti/university-industry-collaboration.htm).
Die Kritik an der Wissenschaft als „Arbeit in einem Glaspalast“ ist ein häufig diskutiertes Thema in der Öffentlichkeit. Forscher, die die akademische Welt analysieren, haben festgestellt, dass der Publikationsdruck, die hohe Lehrbelastung und die administrativen Aufgaben einen erheblichen Teil der Arbeitszeit von Wissenschaftlern in Anspruch nehmen. Diese Situation erschwert die Zusammenarbeit mit externen Sektoren (Altbach 2015, https://doi.org/10.6017/ihe.2015.79.5837). Auch die Europäische Kommission betont, dass aufgrund „unterschiedlicher Motivationen und mangelnder Kommunikation“ eine systematische Kluft zwischen Wissenschaft und Wirtschaft besteht (Europäische Kommission 2021, https://place-based-innovation.ec.europa.eu/publications/higher-education-smart-specialisation-handbook_en).
Die Effektivität von Universitäten in der Praxis wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Es wird festgestellt, dass Unternehmen in der Türkei Universitäten im Allgemeinen als Institutionen betrachten, die qualifizierte Absolventen hervorbringen, und dass gemeinsame Projekte mit Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung sowie Innovation noch begrenzt sind (https://www.yok.gov.tr/documents/documents/68c01f9a0dc63.pdf). Die Situation in Deutschland ist zwar besser, aber nicht völlig anders. Der vom Stifterverband und der CHE erstellte Bericht „Transferindikator Deutschland“ zeigt, dass die branchenübergreifende Zusammenarbeit selbst innerhalb deutscher Universitäten noch nicht ihr volles Potenzial ausschöpft (Stifterverband & CHE 2022, https://www.stifterverband.org/transferkompass).
Einer der Hauptgründe, warum die Erwartungen der Wirtschaft an die Universitäten nicht erfüllt werden, ist der Mangel an praktischer Erfahrung. Der Bericht „Future of Jobs“ des Weltwirtschaftsforums stellt fest, dass Hochschulabsolventen in vielen Ländern Schwierigkeiten haben, den Anforderungen der Wirtschaft hinsichtlich praktischer Fähigkeiten gerecht zu werden (WEF 2020, https://www.weforum.org/reports/the-future-of-jobs-report-2020).
Ein weiterer Faktor, der die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft schwächt, ist gegenseitiges Misstrauen. Eine umfassende Studie, die in der Fachzeitschrift „Research Policy“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Wirtschaft die Wissenschaft als „langsam und abstrakt“ wahrnimmt, während die Wissenschaft die Wirtschaft als „ungeduldig und kommerziell orientiert“ wahrnimmt. Die Ursachen dieser Situation liegen in mangelnder Kommunikation, unterschiedlichen Motivationen und der Schwäche zwischengeschalteter Institutionen (Perkmann et al. 2013, https://doi.org/10.1016/j.respol.2012.09.007).
Erfolgreiche Beispiele aus aller Welt belegen, dass diese Diskrepanz überwunden werden kann. Die Tatsache, dass rund 70 % der Einnahmen der Fraunhofer-Institute aus Projekten der Privatwirtschaft stammen, und der weltweite Erfolg der Institutionen in der angewandten Forschung liefern ein überzeugendes Modell (Fraunhofer Jahresbericht 2023, https://www.fraunhofer.de/en/annual-report.html). Das universitäre Startup-Ökosystem, das sich um Stanford und das MIT in den USA entwickelt hat, ermöglicht die rasche Kommerzialisierung akademischer Forschung (Roberts 2019, https://www.nowpublishers.com/article/Details/ENT-093). Lokale Innovationsprogramme, die in Ländern wie Schweden und den Niederlanden im Dreieck Kommune-Universität-Industrie umgesetzt werden, bieten gute Beispiele für die Institutionalisierung von Kooperationen.
Wie können Wissenschaft und Wirtschaft also effektiver zusammenarbeiten? Laut einer OECD-Analyse von Kooperationsrichtlinien zählen gemeinsame Finanzierungsmechanismen, Steueranreize und die Stärkung von Technologietransferstellen zu den entscheidenden Schritten für eine nachhaltige Zusammenarbeit (OECD 2019, https://www.oecd.org/sti/university-industry-collaboration-policies.htm). Industrielle Doktorandenprogramme, die in Europa immer häufiger anzutreffen sind, akademische Beratung und die Entwicklung einer kollaborativen Projektkultur mit der Industrie werden ebenfalls häufig empfohlene Strategien genannt.
Obwohl eine sichtbare Distanz zwischen Wissenschaft und Wirtschaft besteht, ist das erhebliche ungenutzte Potenzial offensichtlich. In Bereichen wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und globaler Wettbewerb sind beide Seiten mehr denn je aufeinander angewiesen. Mit den richtigen Brückenmechanismen, starken Vermittlungsstrukturen und politischer Unterstützung lässt sich eine echte Synergie zwischen Universitäten und Wirtschaft schaffen. Diese Zusammenarbeit ist nicht nur für das Wirtschaftswachstum, sondern auch für die soziale Entwicklung und den wissenschaftlichen Fortschritt von entscheidender Bedeutung.