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Künstliche Intelligenz und Gesundheit: Zeit, die Komfortzone zu verlassen

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Künstliche Intelligenz und Gesundheit: Zeit, die Komfortzone zu verlassen

Rund 90 Personen aus verschiedenen Ländern und Gesundheitsberufen nahmen am Online-Seminar „KI im Gesundheitswesen“ teil, das am 1. Dezember 2025 von Akademische Solidarität e.V. organisiert wurde. Referent war Dr. Tolga Ensari, Dozent am Fachbereich Informatik der Arkansas Tech University.

Zu Beginn seines Vortrags fasste Dr. Ensari die Entwicklung der künstlichen Intelligenz und ihre mathematische und statistische Grundlage zusammen und betonte, dass KI weit mehr als nur Programmierung umfasst. Sie verfügt über eine breite Wissensbasis, die von Differentialgleichungen und Optimierung bis hin zu Graphentheorie und Wahrscheinlichkeitsmodellen reicht.

Im Hauptteil seines Vortrags erörterte Dr. Ensari die aktuellen Anwendungen künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen:

  • KI-gestützte Diagnosesysteme in der medizinischen Bildgebung (CT, MRT, Pathologie) finden breite Anwendung in Bereichen von der Krebserkennung bis zur Bildinterpretation.
  • Software zur klinischen Entscheidungsunterstützung (z. B. IBM Watson Health) beschleunigt die Diagnose- und Behandlungsprozesse von Ärzten.
  • Die Umwandlung von Texten, Genomdaten oder Sensordaten in KI-Algorithmen wurde anhand von Beispielen erläutert.
  • Zu den Zukunftsfeldern zählten digitale psychische Gesundheit, biologische Computer, das Konzept der nächsten Generation von „echter Intelligenz“, die mit Nervenzellen arbeitet, sowie biologisch inspirierte Modelle wie spikende neuronale Netze.

Dr. Ensari erklärte anhand konkreter Beispiele, dass künstliche Intelligenz, genau wie Menschen, Fehler machen kann. Tesla-Fahrzeuge in Australien, die Kängurus nicht erkannten und anhielten, oder Bildklassifikatoren, die einen Muffin und einen Welpen verwechselten, wurden als Beispiele angeführt, um zu verdeutlichen, dass KI-Systeme nicht als absolut fehlerfrei gelten sollten.

Das Seminar behandelte ausführlich ethische Prinzipien und zukünftige rechtliche Regelungen. In diesem Zusammenhang wurden Datenschutz, Fairness und Transparenz, menschliche Kontrolle, Verwaltbarkeit und Nachvollziehbarkeit als grundlegende Bedingungen für KI-Systeme definiert.

Das Seminar präsentierte außerdem Beispiele aus den umfassenden Studien zur „Technologieverfassung“, die seit fünf Jahren in den USA und der EU durchgeführt werden. Die rechtliche Haftung von Ärzten beim Einsatz von KI, die gemeinsame Verantwortung bei potenziellen Arzthaftungsklagen und die zukünftige Regulierung wurden diskutiert. Dr. Ensari beantwortete außerdem Fragen der Teilnehmer:

  • Es ist mittlerweile üblich, dass Patienten Tools wie ChatGPT nutzen, bevor sie einen Arzt aufsuchen. Ethisch gesehen wäre es jedoch möglicherweise angemessener, wenn der Arzt das Gespräch mit der KI im Beisein des Patienten und transparent führen würde.
  • Es wurde betont, dass die Software nicht allein verantwortlich gemacht werden kann, wenn die KI eine Fehlentscheidung trifft.
  • Es wurde prognostiziert, dass spezialisierte klinische KI-Tools für Hausärzte in naher Zukunft auf spezifische Berufsgruppen zugeschnitten sein werden.
  • Es wurde festgestellt, dass KI-Systeme, die Metaanalysen durchführen können, immer leistungsfähiger werden und wissenschaftliche Forschungsprozesse bald grundlegend verändern könnten.
  • Es wurde festgestellt, dass der Einsatz von KI in informellen Gesprächen über psychische Gesundheit schädlich ist, lizenzierte Systeme für „Digitale Psychische Gesundheit“ jedoch von Nutzen sein könnten.

Am Ende des Seminars sprach ein Teilnehmer über die praktischen Vorteile KI-gestützter Software wie Tandem Health, die in der schwedischen Primärversorgung eingesetzt wird:

  • Automatische Transkription von Arzt-Patienten-Gesprächen und Umwandlung in medizinische Dokumentationen,
  • Erstellung von Korrespondenz wie Berichten, Überweisungen und Krankmeldungen innerhalb von Sekunden,
  • Automatisierung von Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Leitlinienprüfungen.

Ein anderer Teilnehmer stellte Heidi Health vor, ein in Deutschland eingesetztes Transkriptions- und Entscheidungsunterstützungstool, und betonte die Wichtigkeit der Integration dieser Software in lokale Systeme, insbesondere aufgrund der Anforderungen an die Datensicherheit.

„Zeit, die Komfortzone zu verlassen“

Als einer der Moderatoren am Ende des Programms anmerkte, das Seminar habe ihn „aus seiner Komfortzone herausgeführt und in einen Lern-Entwicklungs-Zyklus aus Angst und Weiterentwicklung geführt“, antwortete Dr. Ensari:

„Angst zu haben ist gut. Denn sie ist der Beginn von Lernen und Entwicklung.“

Dieses von Akademische Solidarität e.V. organisierte umfassende Seminar verdeutlichte, wie KI das Gesundheitswesen aus technischer, ethischer und praktischer Sicht verändert. Das große Interesse und die rege Beteiligung der Teilnehmenden zeigten einmal mehr, dass die Fachkräfte im Gesundheitswesen bereit für diesen Wandel sind, der Weg dorthin aber noch sehr früh ist.