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Trotz eines starken öffentlichen Schulsystems erlebt Deutschland einen dramatischen Rückgang der mathematischen und naturwissenschaftlichen Fähigkeiten

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Trotz eines starken öffentlichen Schulsystems erlebt Deutschland einen dramatischen Rückgang der mathematischen und naturwissenschaftlichen Fähigkeiten

Deutschland hat ein relativ egalitäres System der obligatorischen und kostenlosen Grund- und Sekundarschulbildung eingeführt, mit einem im Vergleich zu vielen anderen Ländern niedrigen Anteil an Privatschulen. Trotzdem haben die Lernergebnisse in den letzten Jahren rapide abgenommen. Daten der PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) 2022 zeigten, dass Deutschlands Leistungen in Mathematik und Lesen auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2000 gefallen sind. Der am 16. Oktober 2025 veröffentlichte Bericht des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) zeigte, dass die Leistungen von Neuntklässlern in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik in Deutschland im Vergleich zu 2018 deutlich zurückgegangen sind. Die Ergebnisse bestätigen den bereits in den PISA-Daten 2022 signalisierten Rückgang (https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/bevoelkerung-arbeit-soziales/bildung/PISA2022.html).

Der IQB stellte in Mathematik einen Rückgang von rund 24 Punkten gegenüber 2018 fest, in den naturwissenschaftlichen Fächern (Biologie, Chemie, Physik) kam es zu ähnlichen Rückgängen. Diese Differenz entspricht einem Lernverlust von etwa einem Schuljahr. Dem Bericht zufolge erreichen 24 % der Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse die Mindestanforderungen für den Mittleren Schulabschluss (MSA) in Mathematik nicht, in Chemie 25 %, in Physik 16 % und in Biologie 10 % (https://www.tagesspiegel.de/wissen/lernruckstand-in-ganz-deutschland-neue-bildungsstudie-zeigt-dramatischen-absturz-in-mathe-und-naturwissenschaften-14582699.html).

Am besten schneiden Sachsen und Bayern ab, während einige Bundesländer deutlich hinter dem Bundesdurchschnitt zurückliegen. Hamburg ist das Bundesland, das trotz des bundesweiten Rückgangs seine relativ guten Ergebnisse halten konnte (https://www.news4teachers.de/2025/10/iqb-bildungstrend-2024-das-ranking-so-schneiden-die-einzelnen-bundeslaender-ab/).

Der Anteil privater Schulen in Deutschland ist nach wie vor relativ gering. Rund 5,3 % der Grundschüler besuchen Privatschulen, während der Anteil privater Schulen über alle Schulstufen hinweg bei rund 7 % liegt (https://data.worldbank.org/indicator/SE.PRM.PRIV.ZS?locations=DE). In den OECD-Ländern beträgt der Anteil privater Schulen in der Grundschule etwa 12 %, in der weiterführenden Schule 15 % und in der gymnasialen Oberstufe 20 % (https://www.diw.de/de/diw_01.c.453944.de/publikationen/weekly_reports/2009_29_1/private_schools_in_germany__attendance_up__but_not_among_the_children_of_less_educated_parents.html). Daher lässt sich sagen, dass Deutschland sein überwiegend öffentliches Schulsystem beibehält und hinsichtlich der Verbreitung privater Schulen hinter vielen vergleichbaren Ländern zurückliegt.

Die Ergebnisse des IQB-2024 deuten darauf hin, dass das öffentliche Bildungsmodell Deutschlands, auf das das Land jahrzehntelang stolz war, eine ernsthafte und besorgniserregende Schwelle erreicht hat. Lernverluste von bis zu einem Schuljahr in Mathematik und Naturwissenschaften spiegeln nicht nur die Pandemie, sondern auch seit langem bestehende strukturelle Probleme wider. Lehrkräftemangel, Unterschiede in den Lehrplänen der Bundesländer, Mängel in der digitalen Infrastruktur und sozioökonomische Ungleichheiten verstärken sich gegenseitig.

Auf Bundesebene angekündigte Pläne zielen auf die Erhöhung des Lehrkräfteangebots (https://www.kmk.org/themen/allgemeinbildende-schulen/lehrkraefte/lehrkraeftebedarf.html), die Umstrukturierung der Unterrichtszeiten (https://www.schulministerium.nrw/presse/pressemitteilungen/iqb-bildungstrend-2024-nordrhein-westfalen-hat-einen-klaren-kompass-fuer) und die Förderung spezieller Sprachlernprogramme ab. Einige Bundesländer, wie Hamburg und Sachsen, haben Initiativen gestartet, um den Mathematikanteil im Lehrplan zu erhöhen und Lerndefizite durch individuelles Monitoring zu beheben. Damit diese Bemühungen jedoch nachhaltige Ergebnisse erzielen, bedarf es eines gemeinsamen bundesweiten Qualitäts- und Monitoringsystems (https://www.deutschlandfunk.de/lehrermangel-deutschland-bildung-100.html).

Deutschland verfügt nach wie vor über eines der inklusivsten Bildungssysteme weltweit. Aktuelle Indikatoren deuten jedoch darauf hin, dass strukturelle Erneuerungen erforderlich sind, um diesen Erfolg aufrechtzuerhalten. Aus Sicht von Academic Solidarity ist dieser Bildungsrückgang nicht nur aus pädagogischer Sicht, sondern auch im Hinblick auf soziale Gleichheit und Chancengerechtigkeit ein kritisches Signal. Leistungsrückgänge an öffentlichen Schulen könnten dazu führen, dass mehr Menschen auf Privatschulen wechseln. Die soziale Belastung des deutschen Bildungssystems zu tragen, liegt in der gemeinsamen Verantwortung nicht nur der Lehrkräfte, sondern auch der lokalen Regierungen, Universitäten und der Zivilgesellschaft.