Akademische Freiheiten in autoritären Regimen
Akademische Freiheiten in autoritären Regimen

Akademische Freiheiten in autoritären Regimen

Zusammenfassung

Die Zunahme „kompetitiver autoritärer Regime“, die in den letzten zwei Jahrzehnten einen zunehmenden Trend zeigt, betrifft alle Bildungseinrichtungen. Da diese Regime ihre Macht durch eine populistische Politik aufrechterhalten, investieren sie in Universitäten und kümmern sich um deren Kontrolle. Sie verwenden hoch entwickelte Methoden zur Kontrolle der Hochschuleinrichtungen, die in fast allen autokratischen Ländern ähnlich sind.

Russland, Ungarn und die Türkei versuchen zwar, ein anscheinend funktionierendes gesundes demokratisches Regime zu schaffen, üben aber immer wieder Druck auf Akademiker und akademische Einrichtungen aus und versuchen, sie letztlich vollständig zu kontrollieren. Der Druck hat ein Ausmaß erreicht, dass der Versuch, Bildungslizenzen zu entziehen, bis hin zur Schließung internationaler Universitäten in Ungarn und Russland reicht. Der Vorwand eines versuchten gescheiterten Putschversuchs in der Türkei wurde als Vorwand benutzt, um 15 Universitäten zu schließen und etwa neuntausend Dozenten und Mitarbeiter der Universitäten in der Türkei zu entlassen.

Die Tendenz zur Autorisierung, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten beschleunigt hat, spiegelt sich auch an den Universitäten und im akademischen Leben wider. In der Zeit des Kalten Krieges waren die Universitäten in der bipolaren Welt von der Spaltung der Welt betroffen, aber da die Parteien bekannt waren, waren einige Begrifflichkeiten klarer als heute. Vieles hat sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und mit den Debatten über eine unipolare Welt ihre Deutlichkeit verloren. Mit dem Machtantritt Putins in Russland entstand ein Regime, das der Demokratie ähnelt, aber keine ist. Viele Länder folgten dem russischen Beispiel. Diese Entwicklung verleitete uns zu einem Begriff, den wir zwar kannten, aber ihm nicht nachgegangen waren: Akademische Freiheiten in autoritären Regimen.[1]

Es ist jetzt komplizierter, Fragen wie „in welchem Land existiert die Demokratie und in welchem nicht?“ zu beantworten. Mit der Zunahme an Länder, die mit einigen Versionen dieses Staatsmodells, wie „hybrides Regime“ oder das als „wettbewerbsfähige autoritäre Regime“ bezeichnet werden, regiert werden, wächst auch die Verwirrung.

In dem letzteren Regime kann die Kontrolle oder Schließung der oppositionell eingestellten Universitäten das Hauptziel der Regierungen sein. Als Mitglied der Europäischen Union hat der Druck Ungarns auf eine Universität gezeigt, wie nah diese Gefahr für uns ist.

Die Herangehensweise dieser neuen halbdemokratischen oder autoritären Regime gegen Universitäten unterscheidet sich von den im Nahen Osten üblichen traditionellen Diktaturen und traditionellen Königreichen.

In den traditionellen Königreichen wird jede Art von Aktivität durch die Universitäten geduldet und gebilligt, die nicht direkt auf das Königreich abzielen. In gewisser Weise sind die Universitäten keine Rivalen der Könige, und ihnen bleibt möglicherweise ein relativ freier Raum. In diesen Ländern wird möglicherweise nicht viel über das Regime diskutiert. Da die etablierten Diktaturen und monarchischen Regime keine Demokratie beanspruchen, ist das akademische Umfeld in diesen Ländern nicht mit dem in freien Ländern vergleichbar. In einer hybriden Demokratie oder einem wettbewerbsorientierten autoritären Regime haben die Freiheit der Akademiker und die Beziehung zwischen Staat und Universität mehr Probleme und sind einer Untersuchung wert. Ironischerweise behaupten diese Regime, die in diesen Ländern vorherrschen, die höchsten demokratischen Werte innezuhalten und versuchen sicherzustellen, dass diese Behauptungen von akademischen Kreisen bestätigt werden.[2]

Natürlich macht das in Russland mithilfe der Wahlen fortgesetzte autoritäre Regime es nicht unbedingt demokratisch. Diese Regime priorisieren jedoch unter anderem neben anderen Maßnahmen auch die populistische Politik, um Wahlen zu gewinnen. Sie investieren in Universitäten, die in der Öffentlichkeit einen wichtigen Platz einnehmen, und wollen in enger Beziehung zu ihnen auftreten. In diesem Zusammenhang entwickeln sie viele verschiedene Methoden zur Kontrolle der Universitäten und sehen die akademische Freiheit als eine sehr wichtige Bedrohung für sie. Michael Ignatieff, Rektor der Central European University (OAU), der einen Artikel zu diesem Thema verfasste, machte uns auf diese Widersprüche in der Welt und kurz auf die Geschichte seiner Universität aufmerksam. Orban, der lange Zeit mit populistischer Politik in Ungarn an der Macht war, übte starken Druck auf die OAU aus und versuchte, diese Universität zu schließen. Derzeit scheinen starke Einwände aus Europa und anderen Teilen der Welt die Schließung der Universität verhindert zu haben. Andere Universitäten in anderen Ländern haben jedoch möglicherweise nicht so viel Glück wie die OAU. Zum Beispiel in der Türkei. Im Jahr 2016 schloss die Regierung 15 Stiftungsuniversitäten und usurpierte das gesamte Vermögen dieser Stiftungen. Vierzigmal so viele Studenten wie in der OAU (ungefähr fünfundsechzigtausend) verloren ihre Bildungseinrichtungen, viele ihre Stipendien, Träume und Bildungsrechte. Wenn man die Ängstlichkeit und Schüchternheit der Akademie berücksichtigt, wird der Druck der Regierung auf eine Universität oder die Bestrafung eines Akademikers aus politischen Gründen die gesamte Akademie abschrecken. Diese Regime üben ihre Handlungen aus, indem sie ihre Unterdrückung und Mobbing clever verhüllen und sie setzen die in ihrer Macht stehende ein, um ihre Macht aufrechtzuerhalten.[3]

Interessanterweise setzen diese hybriden Regime die Universitäten mit ähnlichen Methoden unter Druck, wobei ihre Argumente sehr ähnlich sind. Sie fürchten vor allem vor Universitäten, die als Hochburg des freien Denkens gelten. Gegen die dominierende Macht Ungarns durch die Mobilisierung der gesamten internationalen öffentlichen Meinung kann OAU-Rektor vorerst die Situation retten. Michael Ignatieff macht sehr interessante Beobachtungen über die autoritären Verwaltungen dieser Zeit. Dabei unterstreicht er bezüglich der Unterdrückung der Universität in Ungarn, ähnliche Beispiele wie China, Russland und der Türkei, die dem vorangegangen sind.

Die beiden international renommierten Universitäten in Russland wurden von der russischen Regierung verwüstet. Davon war die „Moskauer Schule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften“ mit der Aufhebung der staatlichen Akkreditierung konfrontiert, setzt jedoch ihre Ausbildung fort. Die andere Universität, „European University St. Petersburg“ steht aufgrund von Problemen bei der Erneuerung ihrer Lizenz vor einer Schließung.[4],[5],[6]

Ein gemeinsames Merkmal repressiver Regime ist, dass sie keine international anerkannten Institutionen mögen, die irgendwie im Land existieren. Universitäten sind die führenden Institutionen. Der Druck auf die Universitäten wird auf unterschiedliche Weise ausgeübt und die Regierungen finden Möglichkeiten, sich gegen die Reaktionen aus dem Ausland zu schützen. Eine der am häufigsten angewandten Methoden sind die Hürden bei der Gewährung von Aufenthaltsrechten für ausländische Akademiker. Auch wird der Bevorzugung dieser Universitäten durch die Studierenden entgegengetreten, indem diese mit negativen Berichterstattungen in den von der Regierung kontrollierten Medien verbreitet werden. Somit wird das wirtschaftliche Überleben dieser Einrichtungen erschwert.

Solche Prozesse traten auch in der Türkei auf. Doch anders als die Entwicklungen in anderen Ländern, die mit ähnlichen Regimen regiert werden, schloss die Regierung mit radikaleren Maßnahmen solche Universitäten und übernahm dann die absolute Kontrolle. Die türkische Regierung ist sehr erfahren darin, mit allen staatlichen Institutionen Druck auf Dissidenten auszuüben, natürlich auch auf Universitäten. Im Juli 2016 schloss das Erdogan-Regime 15 Universitäten, die es zu beschädigen versuchte, indem es fast drei Jahre lang denkwürdige Barrieren aufstellte und ihr Vermögen an sich riss. Die drei Jahre wehrende Druckausübung zeigte sich in Form von Senkung der Studentenquoten durch die Obrigkeit, Verweigerung von Gebäudelizenzen durch Gemeinden und weiteren behördlichen Einrichtungen, Aberkennung der bestehenden Lizenzen, Entfernen der Studenten, die in den regierungsnahen Medien zur Zielscheibe gemacht wurden, Beschlagnahme der Gründungsstiftungen durch Gerichtsbeschlüsse, Änderung der Verwaltung und Verhaftung der Akademiker.

Doch all diese Maßnahmen müssten wohl nicht ausreichend gewesen sein, um alle oppositionellen Universitäten durch ein Regierungsdekret an sich zu reißen.

Der Druck, den wir bisher erwähnt haben, waren Probleme, mit denen Stiftungen und private Universitäten in diesen Regimen konfrontiert sind, deren Eigentum und Verwaltung nicht direkt in staatlichem Besitz sind. In öffentlichen Universitäten kann dieser Druck einfacher und resultierender angewendet werden. Die Verträge ausländischer Akademiker, die an öffentlichen Universitäten arbeiten, werden gekündigt und diese abgeschoben. Akademiker an den staatlichen Universitäten, die einen Festvertrag besitzen, können auch leicht von diesen Einrichtungen entfernt oder durch neue Gesetze und Vorschriften eingeschüchtert werden. Da die Verwaltung der Universität direkt vom Staat bestimmt wird, ist es nicht schwierig, das gewünschte Druckumfeld zu schaffen. Zahlreiche Akademiker, die sich durch akademische Studien an Universitäten nicht auszeichnen konnten, haben als freiwillige Kollaborateure dieses Regimes jede Art von Druckumgebung geschaffen.[7],[8],[9]

In der heutigen Welt, in der Informationen sehr schnell zirkulieren, ist es staatlichen Institutionen nicht möglich, mit anderen zu konkurrieren und ihre Vitalität fortzusetzen. Akademiker sind von Natur aus schüchtern und tendieren dazu, unter Druck in andere Länder umzusiedeln. Sie wollen sich nicht auf Konflikte wie politischen Wettbewerb einlassen. Auch angesichts der Angriffe der autoritären Landesregierung und der riesigen Medienmacht, die sie kontrolliert, werden nur wenige Studenten bereit sein, an Universitäten zu studieren, die als Dissidenten eingestuft sind. Keine öffentliche Universität möchte unterdrückte Wissenschaftler einstellen und verunglimpfte Einrichtungen betreiben. Ein weiteres Ergebnis des Drucks ist, dass Menschen und Gruppen, die sich in der Opposition befinden, darauf achten müssen, die Sensibilität der Regierung nicht zu berühren (eine Art Selbstzensur). Dadurch wird die Opposition immer stiller

  1. Andrea Kendall-Taylor & Erica Frantz. How Democracies Fall Apart- Why Populism Is a Pathway to Autocracy. Foreign Affairs; December 5, 2016. https://www.foreignaffairs.com/articles/2016-12-05/how-democracies-fall-apart
  2. Erica Frantz. Democracy Dismantled: Why the Populist Threat Is Real and Serious.. World Politic Revie, March 14, 2017. https://www.worldpoliticsreview.com/articles/21516/democracy-dismantled-why-the-populist-threat-is-real-and-serious
  3. Michael Ignatieff. The role of universities in an era of authoritarianism. University World News; 13 April 2018. https://www.universityworldnews.com/post.php?story=20180413093717351
  4. Ivan Nechepurenko. The New York Times; Aug. 26, 2018. In Russia, a Top University Lacks Just One Thing: Students. https://www.nytimes.com/2018/08/26/world/europe/european-university-st-petersburg-russia.html
  5. Ivan Nechepurenko. The New York Times; Aug. 26, 2018. In Russia, a Top University Lacks Just One Thing: Students. https://www.nytimes.com/2018/08/26/world/europe/european-university-st-petersburg-russia.html
  6. Meduza. Regulators have revoked their accreditation of the Moscow School of Social and Economic Sciences, one of Russia’s last major private colleges. https://meduza.io/en/feature/2018/06/22/regulators-have-revoked-their-accreditation-of-the-moscow-school-of-social-and-economic-sciences-one-of-russia-s-last-major-private-colleges
  7. Berk Esen & Sebnem Gumuscu. Rising competitive authoritarianism in Turkey. J Third World Quarterly; February 19, 2016. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/01436597.2015.1135732
  8. http://www.resmigazete.gov.tr/eskiler/2016/07/20160723-8.htm
  9. Ayse Çaglar. Blow by Blow: the Assault on Academic Freedom in Turkey. ResetDOC; 29 September 2017. https://www.resetdoc.org/story/blow-blow-assault-academic-freedom-turkey/
Print Friendly, PDF & Email